Grauslichkeiten der türkis-blauen Bundesregierung in der Sozial- und Frauenpolitik

Monika Jarosch

Download PDF

Vorbemerkung

Seit über einem Jahr sammle und dokumentiere ich die von mir so genannten Grauslichkeiten der türkis-blauen Bundesregierung speziell in der Frauen- und Sozialpolitik. Meine Kriterien für diese Sammlung sind, alles aufzunehmen, was gegen eine aktive Gleichstellungspolitik für Frauen und das Diskriminierungsverbot verstößt oder dem widerspricht. Gleichstellung heißt, alle Menschen (z.B. ohne Unterscheidung von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Behinderung oder sexueller Orientierung) als gleichberechtigt wahrzunehmen und so zu behandeln, dass sie auch real die gleichen Möglichkeiten haben. Die österreichische Verfassung enthält in Art. 7,3 die Verpflichtung, eine faktische Gleichstellung von Männern und Frauen durch Beseitigung von Ungleichheiten herbeizuführen.

Nach diesem Jahr zeigen sich einige Grundsätze dieser Regierung, die ihre Politik bestimmt: 1. Ein Grundkonsens: Menschen, insbesondere Frauen, sind nicht gleich sondern ungleich. 2. Besonders ungleich sind Menschen, die zu uns flüchten wollen oder schon zu uns geflüchtet sind. Von ihnen geht alles Böse aus. Asylwerber werden unter Generalverdacht gestellt. Die Anbringung des Schildes ‚Ausreisezentrum‘ an das Tor der Erstaufnahmestelle Traiskirchen – “Das ist einfach unmenschlich” (Zitat Kardinal Schönborn). Ein geradezu irrationaler Hass gegen ausländische Menschen geht von der FPÖ-Seite der Regierung aus. 3. Die Regierung ist beratungsunwillig und beratungsresistent. ExpertInnenmeinungen werden nicht gehört oder angenommen.

Übersicht

  • „Verwirrte“ Sager
  • Neues Sozialhilfegesetz – Mindestsicherung neu
  • Frauenvolksbegehren abgelehnt
  • Angriffe auf Schwangerschaftsabbruch
  • Gewaltschutz – Gewaltprävention verwässert
  • Sozialministerium streicht 50 % Förderziel für Frauen
  • Verschiedenheit zwischen Männern und Frauen als Pflicht
  • Konservatives Familienmodell im Regierungsprogramm
  • Kürzungen für Frauenvereine
  • „Familienbonus“
  • Geld für Kindergärten
  • Kürzung der Mittel für den Ausbau der schulischen Nachmittagsbetreuung
  • 12-Stunden-Arbeitstag
  • Auflösungen von Genderabteilungen auf Bundesebene
  • Angriff auf geschlechtergerechte Sprache
  • Besondere Betonung von Sexualdelikten im öffentlichen Raum
  • Keine Karenz-Anrechnung im Job
  • Förderungen an schlagende Schülerverbindungen
  • Geld für „Krisenpflegemütter“ gestrichen
  • Diskriminierendes Computerprogramm der Regierung für das AMS zu Betreuungszeit und Fördergeldern

„Verwirrte“ Sager

Nun besteht diese Regierung aus Menschen, die nicht immer wohlüberlegt und klug ihre Meinung vertreten. Oftmals kommen von ihnen Statements oder Erklärungen, die mehr „verwirrt“ als klug zu nennen sind. Einige Beispiele:

  • „Ich muss nicht Wärme ausstrahlen. Ich bin die Wärme“. ((Un)Sozialministerin Beate Hartinger-Klein).
  • „Bei freier Wohnung kann jeder Mensch mit 3,- € pro Tag auskommen“ (= 90,- € pro Monat) ((Un)Sozialministerin Beate Hartinger-Klein).
  • „Das ist in der Natur so festgelegt“ und damit ist die unbezahlte Haus- und Pflegearbeit von Frauen gemeint ((Un)Sozialministerin Beate Hartinger-Klein).
  • „Familie ist da, wo gezeugt wird“, sagt der freiheitliche Abgeordnete Zanger (nicht Regierungsmitglied). Frage dagegen: ist Familie auch bei Vergewaltigung oder Kriegsvergewaltigungen?
  • „Es liegt im Einflussbereich von Frauen, wie sich die kleinen Paschas und Machos aus welchem Kulturkreis auch immer entwickeln“ (Außenministerin Kneissl (FPÖ) bei der Präsentation des Integrationsberichtes) Die für die Kindererziehung verantwortlichen Frauen sind somit selber schuld an den patriarchalen Geschlechterverhältnissen!
  • „In Österreich gibt es keine patriarchalen Strukturen, alles ist importiert“. (Staatssekretärin Edtstadler). Und sie meinte im Ernst, dass ein Österreicher eine Frau ermordet, weil Flüchtlinge hier sind.
  • „Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht“ (Innenminister Kickl).
  • „Sozialkürzungen sind sehr christlich sozial, denn Sozialkürzungen machen stark und führen dazu, dass die Menschen arbeiten gehen“ (Bundeskanzler Kurz).
  • Bundeskanzler Kurz feiert im Fernsehen Menschen, die Ertrinkende aus dem Bodensee retten als Helden und setzt Menschen, die Ertrinkende aus dem Mittelmeer retten mit kriminellen Schleppern gleich.

Aber nun zu den Grauslichkeiten.

Neues Sozialhilfegesetz – Mindestsicherung neu

Dies ist eine sehr komplexe Materie und hier können nur Stichworte gegeben werden. Warum dieses neue Gesetz? Alle kritischen ExpertInnenmeinungen wurden irgnoriert. Die Mindestsicherung macht gerade einmal 1% des Sozialbudgets aus. Das Einsparungspotenzial für das Budget ist daher sehr gering. Das politische Ziel ist es wohl, Menschen raus aus Sozialhilfesystemen und in die Erwerbsarbeit zu bringen. Da wird nicht mehr nach „unverschuldeter Armut“ gefragt, alle „Armen“ müssen die so hochgepriesene Leistung erbringen, anderenfalls können sie verhungern. „Diese Regierung führt vor, wie wir die Armen zum Verschwinden bringen können, denn sie zählen nicht mehr, obwohl sie doch ständig gezählt werden. Aus den Augen, aus dem Sinn. Verschwunden. Für uns und für sie selbst, denn mit dieser neuen Mindestsicherung, die zumindest das Wort Sicherung sofort streichen sollte, sind auch die Menschen abgeschafft, weil sie, ständig über dem Abgrund hängend, nicht mehr leben können“, schreibt Elfriede Jelinek in ihrer scharfen Kritik an der geplanten Kürzung der Mindestsicherung.

Einige Hauptkritikpunkte:

  • Bekämpfung von Armen nicht Armut

Nach Meinung des „Bündnisses gegen Armut und Wohnungsnot – Tirol“ werden die Ziele der Mindestsicherung (nun Sozialhilfe) grundlegend verändert. Nicht die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, die Überwindung von Notlagen und die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens stehen im Vordergrund sondern die Bekämpfung von Armen.

  • Wer im Sozialsystem kürzt, tut das immer auf Kosten der Frauen.

Sie sind es, die weniger verdienen und über weniger Vermögen verfügen, einen Großteil der unbezahlten Arbeit leisten und stärker auf öffentliche Infrastruktur angewiesen sind.

  • Förderung von Kinderarmut.

Kürzungen bei über 54.400 Mehr-Kind-Familien. Sie müssen künftig mit massiven Einschnitten rechnen. Das dritte Kind und die weiteren bekommen nur noch 43,- € monatlich.

  • Verschlechterung der Lage von Frauen und deren Kindern,

die vor gewalttätigen (Ex-)Partnern in Frauenhäuser flüchten müssen, wird sich dramatisch verschlechtern. Dieses Gesetz wird noch mehr Gewalt produzieren, weil die Frauen aufgrund ihrer Existenzängste bei ihrem gewalttätigen Partner bleiben werden.

  • Familien mit behinderten Kindern bekommen noch weniger.

Wenn erwachsene Menschen mit Behinderung bei ihren Eltern wohnen, weil diese sich um sie kümmern, wird das Einkommen der Eltern künftig von der Mindestsicherung abgezogen.

  • Wer arbeitsfähig ist, aber schlecht Deutsch spricht,

muss künftig überhaupt von nur mehr 575 Euro leben. Ebenso lernschwache Menschen und Menschen ohne Schulabschluss: Denn auch sie können keinen Pflichtschulabschluss in Deutsch vorweisen. Und auch ihnen wird die Mindestsicherung um über 300 Euro gekürzt. Auf ein Niveau, auf dem niemand in Österreich leben kann.

  • Weniger als „Hartz IV“

Familien werden mit der von ÖVP und FPÖ geplanten Kürzung der Mindestsicherung weniger Geld erhalten als im deutschen „Hartz IV“. Zu diesem Schluss kommt der Sozialexperte der evangelischen Diakonie, Martin Schenk, beim Vergleich der Geldleistungen ohne Wohnkosten. Familien mit drei Kindern erhalten demnach 270 Euro weniger pro Monat als in Deutschland – trotz hierzulande höherer Lebenskosten.

  • Kindererziehungszeiten werden nicht berücksichtigt

– wenige Frauen werden 40 Jahre durchgängige Arbeitszeit vorweisen können. Dies bedeutet also eine geringe Mindestpension.

  • Nicht nur „Zugewanderte“

Wer glaubt, die von der Regierung geplanten Kürzungen würden nur „Zugewanderte“ treffen, irrt gewaltig. Frauen, Männer und Kinder, die noch keine Möglichkeit hatten, gut Deutsch zu lernen und einen Sprachnachweis zu erbringen, werden zwar besonders hart getroffen, aber es trifft auch fast alle anderen Bezugsgruppen, teilweise sogar dramatisch.

  • Nicht nur arbeitslose und nicht arbeitsfähige Personen

verlieren durch die Kürzung der Mindestsicherung teilweise massiv, sondern auch arbeitende Menschen und Menschen im Pensionsalter, die bisher ihr Einkommen auf die Höhe der Mindestsicherung aufstocken konnten.

  • Die langfristigen Folgen für die Gesellschaft sind gravierend.

Kriminalität und Obdachlosigkeit werden steigen. Armut wird vererbt und das hat Folgen: Wer arm ist, stirbt 10 Jahre früher. Gekürzte Sozialleistungen und Arbeitslosengeld erhöhen zwar den Druck auf die Betroffenen, möglichst schnell einen Job zu finden. Dass sie aber deswegen tatsächlich schneller in Beschäftigung kommen, ist unwahrscheinlich.

Frauenvolksbegehren abgelehnt

482.000 Personen haben das Frauen*Volksbegehren unterschrieben. Die Forderungen passen aber nicht ins Regierungskonzept und müssen daher ignoriert werden. Die Abgeordneten der FPÖ und ÖVP haben alle 32 Anträge, die aus dem Frauen*volksbegehren entstanden sind, abgelehnt. Darunter sind Anträge auf einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, die Umsetzung eines Lohntransparenzgesetzes, die Finanzierung von sexueller Bildung und Bekämpfung von Armut durch Unterhaltssicherung.

Angriffe auf Schwangerschaftsabbruch

Eine von hochrangigen ÖVP- und FPÖ-Politikern unterstützte Petition, die den Schwangerschaftsabbruch bei schwerer geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung des Kindes auch nach dem dritten Monat einschränken will, stößt auf breiten Widerstand. „#KeinenMillimeter“ setzt dieser Petition Aktionen und eine eigene Petition entgegen.

Gewaltschutz – Gewaltprävention

Gewalt an Frauen ist nicht neu in Österreich, sie ist ein globales Problem, daher ist sie auch kein importiertes Problem.

Viele Maßnahmen sind angekündigt, jedoch hat Türkis-Blau für ein seit Jahren bewährtes Workshop-Projekt gegen Frauengewalt an den Schulen kein Geld mehr übrig.

Es zeigt sich eine Zuspitzung auf AsylwerberInnen und Asylberechtigte. Sexualisierte Gewalt wird ethnisiert. Dies bedeutet, dass lediglich jene Gewalt skandalisiert und verurteilt wird, die (vermeintlich) von geflüchteten Männern, oder Migranten ausgeübt wird. Das ist eine rassistische Instrumentalisierung sexualisierter Gewalt. Das Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen und der AÖF – Verein Autonome österreichische Frauenhäuser sind erstaunt über das „neue“ Maßnahmenpaket. Dabei werden zum einen Maßnahmen in Aussicht gestellt, die in der Realität bereits seit Jahren existieren (Frauenhelpline gegen Gewalt und Frauenberatungsstellen in allen Bundesländern) und zum anderen werden Maßnahmen, die die Expertinnen für Gewaltschutz seit Jahrzehnten fordern und die in letzter Zeit als „ineffizient“ gestrichen oder zumindest finanziell stark gekürzt wurden, nun plötzlich als neue Ideen präsentiert.

Wichtige und effiziente Maßnahmen wären u.a. der rasche und wirksame Ausbau der Täterarbeit sowie die ausreichende finanzielle Absicherung der bestehenden Frauen- und Mädcheneinrichtungen. Der Ausbau der Täterarbeit darf aber nicht vom Budget aus dem Frauenressort abgezogen werden. Dafür benötigt es andere Finanzierungen, zum Beispiel durch das Sozialministerium oder durch das Innenministerium.

Sozialministerium streicht 50 % Förderziel für Frauen

Bisher mussten 50 Prozent der AMS-Fördermittel für Frauen verwendet werden. Das Sozialministerium streicht diese Vorgabe. Alle Studien zeigen, dass Frauen am Arbeitsmarkt systematisch benachteiligt sind. Die Lohnschere beträgt rund 20 Prozent. 10 Jahre nach der Geburt eines Kindes haben Frauen im Schnitt in Österreich einen Einkommensverlust von 51 Prozent.

Verschiedenheit zwischen Männern und Frauen als Pflicht

– so steht es im Regierungsprogramm. Nur wenn Frauen verschieden sind, haben sie Würde. Dies ist eine Drohbotschaft, die wirklich ernst genommen werden muss. Die Aussage über die Verschiedenheit von Frauen kann als eine Gegenideologie nicht nur gegen Gleichstellungspolitik im engeren Sinne, sondern gegen die Politik der Modernisierung der österreichischen Gesellschaft seit den 1970er Jahren gesehen werden. Es eine biologistisch-zweigeschlechtliche Vorstellung gleichwertiger, aber grundverschiedener Geschlechter. Damit wird ein starrer Dualismus zwischen Männern und Frauen festgesetzt, der Frauen faktisch (strukturell) benachteiligt.

Konservatives Familienmodell im Regierungsprogramm

Familie sei „Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemeinsamen Kindern als natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft und Garant unserer Zukunftsfähigkeit“. Dies ist ein Familienmodell, das Alleinerziehende und Regenbogenfamilien diskriminiert und das völlig an der Realität in unserer Gesellschaft vorbeigeht.

Dazu passt, dass die katholische Fundamentalistin Gudrun Kugler zur Sprecherin der ÖVP für Menschenrechte gekürt wurde. Auf ihrer Agenda war bisher u.a. der Kampf gegen gleiche Rechte für Homosexuelle sowie die Forderung, dass christliche Standesbeamte die Vornahme einer eingetragenen Partnerschaft aus Glaubensgründen ablehnen dürfen, und sie bekennt sich offen zum Antifeminismus: „Ich stehe für die Mütter und Familien, die sich von herkömmlichen Quotenfeministinnen nicht vertreten fühlen.“

Kürzungen für Frauenvereine

Explizit feministische Vereine trifft es am stärksten. Die Kürzungen wurden vom Frauenministerium mit „Umschichtungen“ begründet.

  • Frauenbibliothek des Innsbrucker Arbeitskreises Emanzipation und Partnerschaft (AEP): minus 1.800 Euro (20%)
  • Interdisziplinäres Archiv für Feministische Dokumentation – ArchFem: minus 1.000 Euro (20%)
  • Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern: 35.000 Euro (50%) weniger
  • Österreichische Berg- und Kleinbäuer_innen-Vereinigung (ÖBV): 8.240 Euro (50%) weniger
  • Verein Frauenforschung und weiblicher Lebenszusammenhang: minus 6.600 Euro (20%)
  • Autonomes FrauenLesbenzentrum Innsbruck: minus 5.000 Euro (100%)
  • kinovi[sie]on. Filme von Regisseurinnen – ein feministisches Kinoprojekt: minus 1.000 Euro (100%)
  • „L’Homme“, Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft: 5.000 Euro (100%) weniger
  • Frauensolidarität: Zeitschrift, Bibliothek, Veranstaltungen: 17.000 Euro (100%) weniger
  • Frauenhetz – feministische Bildung, Kultur und Politik: 12.000 Euro (100%) weniger
  • Magazin „an.schläge“: minus 23.000 (100%)
  • One Billion Rising Austria: Für ein Ende der Gewalt an Frauen und Mädchen: 5.500 Euro (100%) weniger
  • Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen: minus 5.000 Euro (100%)
  • Frauengesundheitszentrum Salzburg: minus 20.000 Euro (100%)

Laut Österreichischem Frauenring ebenfalls von Kürzungen durch das Frauenressort betroffen:

  • Österreichischer Frauenring, Dachorganisation Österreichischer Frauenvereine: 7.980 Euro (30%) weniger,
  • Plattform für Frauenrechte gegen Diskriminierung: 4.120 Euro (100% weniger,
  • Frauenkunstprojekt Animationsfilmfestival „Tricky Women“. 10.000 Euro (100%) weniger,
  • Feministische Buchhandlung ChickLit: Förderung zu 100% gestrichen.

Anfang August ist dann durchgesickert, dass auf Frauenvereine nächstes Jahr weitere Förderkürzungen zukommen. Der Budgetplan für 2019 sieht 230.000 Euro weniger vor, wie das Frauenministerium der APA bestätigte. 2019 stehen damit nun nur knapp 5,3 Mio. Euro für Fraueninitiativen zur Verfügung.

„Familienbonus“

Als Steuerabsetzbetrag kommt der Familienbonus nur jenen zugute, die Lohn- bzw. Einkommenssteuer bezahlen. Für viele Familien ist es ein Familien-Malus, da sonstige Steuervergünstigungen wie Absetzbarkeit der Kinderbetreuung wegfallen. Frauen fallen weit seltener in die begünstigten Steuergruppen. Der Familienbonus ist ein negativer Anreiz für die Erwerbstätigkeit der jeweiligen (zumeist weiblichen) PartnerInnen und wirkt als Prämie für das männliche Familienernährer-Modell. Es ist schlicht und einfach eine Steuererleichterung für besser Verdienende. Gering verdienende Paare und Familien, deren Kinder im Ausland leben, gehen leer aus.

Geld für Kindergärten

Es wurde eine Einigung mit den Bundesländern in Sachen Kindergartenausbau bekannt gegeben: Es wird doch nicht gekürzt, es wird sogar etwas mehr als bisher: 140 Mio. Euro Bundes- und 40 Mio. Euro Landesbeitrag. Die SPÖ-regierten Länder wurden über die Einigung lediglich im Nachhinein via Medien informiert. Dabei besonders perfide: Die Junktimierung der Mittelvergabe mit dem Kopftuchverbot für Mädchen. Daher bleibt dieser Punkt bei den „Grauslichkeiten“.

Kürzung der Mittel für den Ausbau der schulischen Nachmittagsbetreuung

Die zum Ausbau der ganztägigen Schulformen bis 2025 vorgesehenen Mittel mit dem Ziel, die Betreuungsquote von derzeit 20 auf 40% der Schüler*innen an den Pflichtschulen zu steigern, wurden bis 2032 gestreckt und damit um die Hälfte gekürzt.

12-Stunden-Arbeitstag

Unter diesem Titel werden die noch bestehenden Hürden für den 12-Stunden-Arbeitstag und die 60-Stunden-Arbeitswoche abgebaut. Falls Gleitzeitregelungen bestehen, entfallen die Überstundenzuschläge für die 13. und 14. zusätzliche Arbeitsstunde. In der ohnehin bereits wenig Freizeit- und Familien-verträglichen und von Arbeitskräftemangel betroffenen Tourismusbranche wird damit die „Work-Life-Balance“ noch weiter zulasten der Life-Seite verschoben. Dies betrifft Frauen und Männer. Frauen jedoch besonders, die immer noch den Großteil der familiären Arbeit leisten oder dann bei einem 12-Stunden-Arbeitstag des Mannes diese Arbeit zusätzlich übernehmen müssen. Auch wenn dies auf freiwilliger Basis erfolgen soll, werden Frauen die ersten sein, die nicht länger arbeiten können und daher von den flexibleren Männern verdrängt werden. Wie soll sich Kinderbetreuung bei einem 12-Stunden-Arbeitstag ausgehen? Wer macht die unbezahlte Arbeit (Hausarbeit, Pflege, Kinderbetreuung)?

Auflösungen von Genderabteilungen auf Bundesebene

Nach Informationen des Österreichischen Frauenrings wurden die Genderabteilungen im Sozialministerium und im Bildungs- und Wissenschaftsministerium aufgelöst.

Angriff auf geschlechtergerechte Sprache

Einschränkung des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs an Schulen und Universitäten, verbindliche Verwendung des generischen Maskulinums und Untersagung der Verwendung des Binnen-I oder die Nennung beider Geschlechter auch in abgekürzter Form im Verteidigungsministerium.

Besondere Betonung von Sexualdelikten im öffentlichen Raum

Laut „Anregung an die Medien“ des Innenministeriums sollen Sexualdelikte im öffentlichen Raum „proaktiv“ kommuniziert werden und die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen in Aussendungen explizit genannt werden.

Kritik vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser: Es bestehe „eine große Gefahr der Verzerrung“, denn der weitaus größte Anteil an Übergriffen gegen Frauen passiere „in den eigenen vier Wänden“.

Keine Karenz-Anrechnung im Job

10 Monate bekommen Frauen für die Karenz angerechnet, wenn es um Urlaubsansprüche oder Kündigungsfristen geht. Haben sie drei Kinder und waren insgesamt sechs Jahre in Karenz, sind es trotzdem nur 10 Monate – was etwa den Anspruch auf die 6. Urlaubswoche in weite Ferne rücken lässt. Beim Gehaltsschema ist es noch drastischer: Dort fehlen den Frauen die sechs Jahre komplett. Die Regierung hat eine Korrektur der Gesetzeslage angekündigt. Doch ÖVP und FPÖ haben jetzt einen Rückzieher gemacht – weil Unternehmer gegen eine Besserstellung bei der Karenz-Anrechnung waren. Den Antrag der SPÖ auf vollständige Anrechnung der Karenzzeiten per Gesetz lehnen die Regierungsparteien ab.

Förderungen an schlagende Schülerverbindungen

Dies ist nicht neu: Seit vielen Jahren werden schlagende Schülerverbindungen – darunter zahlreiche Burschenschaften – über die Bundesjugendförderung staatlich mitfinanziert, z.B. fließen öffentliche Gelder auch an den Österreichischen Pennälerring (ÖPR). Dies ist jener Dachverband, dem rund 60 schlagende Schülerverbindungen angehören und dem bis zum Aufkommen der Affäre rund um rassistische Liederbücher auch die Germania zu Wiener Neustadt angehörte. Auf der Homepage des ÖPR wird unter anderem das Mensurfechten als Tätigkeit angepriesen, bei der Burschen mit „scharfen Waffen“ ihren „Mann stehen“ können. Von 2013 bis 2017 gingen jeweils rund 38.000 Euro an den ÖPR. Knapp 15.000 betrug regelmäßig eine sogenannte Basisförderung, ähnlich hoch waren Projektförderungen.

Laut Jugendförderungsgesetz müssten die Vereine mit ihrer Arbeit – und damit auch den staatlichen Geldern – bestimmte Ziele erfüllen. Dabei geht es um Demokratieförderung, aber auch um „die Förderung der Bereitschaft zu Toleranz, Verständigung und friedlichem Zusammenleben“ sowie „des gegenseitigen Verständnisses im innerstaatlichen wie auch im internationalen Bereich“. Auch die „Gleichberechtigung beider Geschlechter“ wird genannt.

Geld für „Krisenpflegemütter“ gestrichen

Seit Juli bekommen die sogenannten Krisenpflegemütter aufgrund eines Erlasses des Familienministeriums kein Kinderbetreuungsgeld mehr.

Krisenpflegemütter kümmern sich um Säuglinge und Kleinkinder in Krisenzeiten. Die Kinder werden aus unterschiedlichsten Gründen – meist aufgrund schwieriger Familiensituationen – für Tage, Wochen oder Monate aus ihren Familien genommen. So lange, bis geklärt ist, ob Kinder zurück zu den leiblichen Eltern können, ob sie zu Verwandten oder dauerhaft zu Pflegeeltern kommen, bleiben die Kinder bei den Krisenpflegemüttern. Bis Juli dieses Jahres bekamen Krisenpflegemütter für die Dauer, in der sie für ein Kind sorgten, Kinderbetreuungsgeld. Aufgrund eines Erlasses des Familienministeriums gibt es kein Kinderbetreuungsgeld mehr, weil es sich – so die Begründung – bei dieser Form der Betreuung um kein Dauerpflegeverhältnis handelt.

Diskriminierendes Computerprogramm der Regierung für das AMS zu Betreuungszeit und Fördergeldern

Ab 2020 plant die türkis-blaue Regierung ein Computerprogramm, das über einen Algorithmus (mit-)entscheidet, wer vom AMS Betreuungszeit und Fördergelder erhält und wer nicht. Menschen sollen dabei in drei Kategorien eingeteilt werden: In jene mit hohen, mit mittleren und mit niedrigen Arbeitsmarktchancen. Die Einteilung soll über eine Punktevergabe erfolgen. Für persönliche Merkmale wie weibliches Geschlecht, gesundheitliche Beeinträchtigung oder Herkunft aus einem Drittstaat gibt es Punkteabzug mit gravierenden Folgen: Je weniger Punkte eine Person erhält, desto weniger wird sie gefördert.

Die Problematik dabei: Erstens wird unterstellt, dass es sich beispielsweise bei Frauen oder Alleinerziehenden um eine homogene Bevölkerungsgruppe handelt. Alleine fürs Frausein gibt es Minuspunkte im Algorithmus! Eine weitere Diskriminierung findet über die Einschätzung von Betreuungspflichten statt: Für eine Frau gibt es Punkteabzug für Betreuungspflichten, für einen Mann nicht.

Zweitens findet kein Ausgleich sozialer Ungleichheit und Ungerechtigkeit statt: Statt einer arbeitssuchenden Person aus Kategorie 3 mehr Fördergelder und Betreuungszeit zuzuteilen, um die strukturelle Ungleichheit auszutarieren, wird dieser Mensch gleich aufgegeben. Ein Mehr an diesen Zuwendungen käme nur Personen aus Kategorie 1 und 2 zu. Die Starken werden also weiter gestärkt und die Schwachen noch mehr geschwächt. Wer es besonders schwer hat – der oder die bekommt absurderweise weniger statt mehr. Chancenausgleich sieht anders aus.

Drittens ist anzunehmen, dass das Programm nicht fehlerfrei arbeiten wird. Aus Sicht von ExpertInnen werden 15-20% der Personen falsch eingeteilt, das wären derzeit beispielsweise 50.000 Personen. Diese Fehlbeurteilung hätte massive Auswirkungen auf die berufliche und persönliche Situation der Arbeitssuchenden sowie ihrer Familien (inklusive Kinder).

Der AMS-Algorithmus muss als frauen- und menschenverachtend sowie diskriminierend eingestuft werden. Er fördert Rassismus, Sexismus und Altersdiskriminierung.

Nicht mehr in der Liste

Familienberatungsgelder wurden nicht gekürzt

Gleichstellung als Unterrichtsprinzip

Hier gibt es jetzt einen Grundsatzerlass „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ auf Grundlage des verfassungsmäßig verankerten Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsauftrags.

Was tun?

Die Kürzungen reihen sich nahtlos ein in all die Vorhaben und neuen Regelungen der Bundesregierung, die nichts anderes zum Ziel haben als: nämlich die bisherigen Errungenschaften für Frauen zunichte zu machen und patriarchale Strukturen wieder aufleben zu lassen. Diese Liste der Grauslichkeiten ist nicht vollständig und sie wird fortgesetzt werden.

Es muss immer wieder auf diese frauenfeindliche Politik hingewiesen werden, immer wieder aufs Neue, die Liste verlängert sich Monat für Monat.

Anmerkung

Quellen: Eigene Recherche und mit großem Dank an

Max Preglau’s Regierungswatch: Umbruch der politischen Kultur in Österreich: von der schwarz-blau/orange Wende 2000 über das rot-schwarze Interregnum 2006-2017 zu Schwarz/Türkis-Blau 2.0.

https://www.uibk.ac.at/soziologie/dokumente/pdf/mitarbeiter/team/info_fpoe_preglau_max.pdf