Antwort der SPÖ Tirol zum AEP Fragenkatalog

  1. Welchen Stellenwert nimmt eine emanzipatorische Frauenpolitik im Programm Ihrer Partei ein? Was sind dabei die zentralen Punkte?

Die Sozialdemokratie steht für eine gleichberechtigte Gesellschaft in der Chancengleichheit kein leeres Wort, sondern tatsächlich gelebt wird. Von dieser Realität sind wir aber weiterhin noch weit entfernt. Aus diesem Grund nimmt die emanzipatorische Frauen*politik in unserem Programm einen wichtigen und essentiellen Stellenwert ein. Unser Programm umfasst ein eigenes Kapitel zu frauenpolitischen Schwerpunkten. Essentielle Punkte daraus sind:

Halbe – Halbe muss Realität werden: Es ist höchste Zeit für eine geschlechtergerechte Aufteilung unbezahlter Haus-, Sorge- und Pflegearbeit und eine gänzliche Gleichstellung im Erwerbsleben. Maßnahmen dafür sind unter anderem entsprechende gesetzliche Regelungen zur Kinderbetreuung und Arbeitszeitverkürzung. Allen Eltern steht das Recht auf Karenz zu, trotzdem wird die Väterkarenz viel zu wenig genützt. Wir stehen für eine gleichberechtigte Aufteilung der Karenzzeiten und Anreizmodelle für Väter* diese auch anzunehmen.

  • Politische Entscheidungsprozesse nicht ohne Frauen*: Klare Maßnahmensetzung und Ausbau des Förderprogramms um einen Frauenanteil von 50 Prozent in Führungspositionen der Landesverwaltung sowie in Führungspositionen und Aufsichtsräten von Landes- und landesnahen Unternehmen zu erreichen.
  • Wir reden über Gehalt! Der Diskriminierung bei der Bezahlung kann nur entgegentreten werden, wenn man/frau weiß, dass man/frau weniger verdient als manche männlichen Kollegen. Deshalb: Wir reden über Gehalt und fordern eine maximale Einkommenstransparenz in allen Berufsbranchen um Ungleichbehandlung aufzuzeigen und die Lohnschere zu schließen.
  • Abtreibungen gehören zur Gesundheitsversorgung

In den ersten drei Monaten ist Schwangerschaftsabbruch straffrei aber NICHT legal. In Tirol kann die Fristenlösung de facto nicht umgesetzt werden, da nur ein Arzt   Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Die Selbstbestimmung von Frauen wird dadurch eingeschränkt. Schwangerschaftsabbrüche zählen zu den häufigsten Eingriffen in der Frauen*heilkunde und sind eine Aufgabe der Gesundheitspolitik. Frauen muss es ermöglicht werden, diese medizinische Behandlung an öffentlichen Krankenhäusern oder bei niedergelassenen ÄrztInnen vornehmen zu lassen.

2. Selbst bestimmen: Wie wollen Sie sicherstellen, dass Mädchen* und Frauen* frei von Zwängen und unabhängig über ihre Sexualität und ihren Körper aufgeklärt werden und über ihre Körper selbst bestimmen können?

Sexuelle Rechte und Sexuelle Selbstbestimmung sollen nicht sondern müssen in einem demokratischen System gelebt werden. Dies ist nur möglich, wenn mit Tabus gebrochen wird und Mädchen*/Buben* früh über den eigenen Körper aufgeklärt werden, zur Stärkung der selbstbestimmten Gestaltung der eigenen Sexualität.

Insbesonders: Wie steht Ihre Partei zu:

• Wir fordern: Verankerung und Finanzierung von zeitgemäßer Bildung zu den Themen Sexualität, Verhütung und Schwangerschaft in Schulen und Bildungseinrichtungen.

Sexualpädagogik gehört dringend in unser Bildungssystem integriert. Sexualität und Sex wird weiterhin oft als schambelastetes Thema gesehen und vor allem von konservativen Kräften aus der öffentlichen Debatte verbannt oder als verpönt angesehen. Für die Sozialdemokratie ist Aufklärung, Sensibilisierung und vor allem Stärkung des Selbstbewusstseins von jungen Menschen gegenüber ihrer Sexualität und ihren Körper essentiell. Nur so können Grenzen gesetzt werden, die zu einem selbstbestimmten Sexualleben führen.

• Wir fordern: staatlich finanzierte, rechtlich abgesicherte, anonyme und kostenfreie Beratungsstellen in ausreichender Zahl zu Sexualität, Geschlechtsidentität, Verhütung und Schwangerschaftsabbruch

Nicht nur das Beratungsangebot soll kostenlos zur Verfügung stehen, sondern vor allem Verhütungsmittel und die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches soll kassenfinanziert werden.

• Wir fordern: volle Kostenübernahme von Schwangerschaftstests, Verhütungsmitteln, die eine ärztliche Untersuchung und Beratung voraussetzen, sowie von Schwangerschaftsabbrüchen durch Krankenkassen.

Die Sozialdemokratie setzt sich auf allen Ebenen für die beste und qualitativ hochwertigste Gesundheitsversorgung ein, unabhängig vom Geldbeutel. Dazu gehört natürlich ein sicherer und kostenfreier Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Wir fordern: Angebot und Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen in allen öffentlichen Krankenanstalten. In Tirol haben Frauen aktuell nur eine einzige Möglichkeit (ein frei niedergelassener Arzt).

Wie oben schon angeführt, das Recht über den eigenen Körper zu entscheiden muss an oberster Stelle stehen, mit nur einem Arzt in Tirol, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt, ist diese Selbstbestimmung nicht gegeben. Die SPÖ Tirol setzt sich klar für den Ausbau dieses Angebotes ein und setzt sich weiterhin für ein Angebot an öffentlichen Krankenanstalten in Tirol ein. Wir stehen für einen legalen, offenen und kostenfreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, denn „mein Körper meine Entscheidung“.

  • Gewalt verhindern: Jede fünfte Frau* über 15 ist in Österreich von körperlicher Gewalt betroffen und sogar fast drei Viertel von sexueller Belästigung. Um diese untragbaren Zustände zu beenden, braucht es rasch eine Offensive für Gewaltschutz und -prävention. Was ist Ihr Konzept für Gewaltschutz und -Prävention?

Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt:

Es ist traurige Realität, dass jede fünfte Frau* ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt ist. Im Jahr 2021 wurden durchschnittlich mehr als zwei Frauen* pro Monat getötet, die allermeisten von ihren männlichen (Ex-)Partnern oder Bekannten. Diese Zahlen sind erschreckend und fordern politische Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt. Wer Schutz sucht soll diesen bekommen, dazu benötigt es in Tirol ausreichend Frauenhausplätze. Grundlage dafür ist die Empfehlung des Europarates, nachdem es für je 10.000 Einwohner*innen einen Schutzplatz braucht.

Es gilt politische Maßnahmen zu setzen um Gewalt zu verhindern und ein flächendeckendes und niederschwelliges Schutzangebot in Tirol bereitzustellen.

Dazu zählt der Ausbau von Informations, -und Unterstützungsangebote, wie Frauenservicestellen in allen Regionen zu etablieren.

Es geht ebenso darum, Gewalt, egal auf welcher Ebene sie stattfindet, zu benennen und aufzuzeigen. Gewalt ist männlich, dies zeigen viele Statistiken. Bei sexualisierter Gewalt beträgt die Täterquote bei Männern sogar 98 Prozent. Dies ist das Ergebnis langanhaltender patriarchaler Strukturen und starren Geschlechterrollen, in die Frauen* wie Männer* gezwängt wurden. Es braucht mehr Aufklärung und Sensibilisierung schon ab der Elementarbildung, um festgefahrene Rollenbilder aufzubrechen und Prävention bevor Gewalt entsteht. Dafür braucht es mehr finanzielle Mittel für Prävention, Opfer- und Täterarbeit: Denn Frauenmorde sind oft das Ergebnis einer langen Gewaltspirale.

  • Schutz gewähren: Laut Istanbul-Konvention sollte es in Tirol 75 Plätze in Frauenhäusern geben, vorhanden sind jedoch nur 39. Im Tiroler Oberland ist die Situation noch dramatischer. Was sind Ihre Vorhaben, hier Verbesserungen auf den Weg zu bringen?

Die SPÖ Tirol setzt sich klar für den Ausbau des Schutzangebotes in Tirol ein. Ziel ist es in jedem Bezirk ein dezentrales Schutzangebot vorzufinden, um in Notsituationen schnell und effektiv handeln zu können. Gerade im Oberland wird aktuell der Bau des Frauenhauses gefordert.

  • Macht teilen: Wie wollen Sie sicherstellen, dass Frauen* an den Entscheidungstischen in Wirtschaft und Politik angemessen dh ihrem Anteil in der Bevölkerung repräsentiert sind?

Politische Entscheidungsprozesse nicht ohne Frauen: Es braucht eineklare Maßnahmensetzung und Ausbau des Förderprogramms um einen Frauenanteil von 50 Prozent in Führungspositionen der Landesverwaltung sowie in Führungspositionen und Aufsichtsräten von Landes- und landesnahen Unternehmen zu erreichen. Wir müssen uns auch als wahlwerbende Parteien in die Pflicht nehmen. In der SPÖ Tirol gilt eine 50% Quotenregelung und das Reißverschlussprinzip bei Listenerstellungen. Diese Regelungen unterstützt und stärkt Frauen in ihrer politischen Arbeit, schafft Vorbilder und motiviert junge Frauen* politisch aktiv zu werden.

  • Einkommensunterschiede beseitigen: Wie wollen Sie erreichen, dass die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern verschwinden? In Tirol klafft dieser Gender Pay Gap besonders weit auseinander.

Die SPÖ setzt sich klar für die Gleichstellung im Erwerbsleben ein. In Tirol verdienen Frauen* immer noch knapp 19% weniger als Männer*. Das sind 68 Tage, die eine Tirolerin* unbezahlt arbeitet im Jahr. Für maximale Einkommenstransparenz und eine Auskunft über Lohn – und Gehaltsniveaus fordern wir die jährliche Vorlage eines Berichtes zur Einkommenssituation in Tirol für die maximale Gleichstellung im Erwerbsleben.

7. Armut bekämpfen: Was wollen Sie gegen die überdurchschnittliche Frauenarmut unternehmen?

Armut ist nach wie vor weiblich. Frauen* in Österreich bekommen rund 20 Prozent weniger Lohn und mehr als 40 Prozent weniger Pension. Frauen* brauchen ein Einkommen und eine Pension, von der sie leben können. Es benötigt in Österreich ein Lohngesetz nach dem Vorbild Islands und den Rechtsanspruch auf einen ganztägigen kostenfreien Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr. Ebenso braucht es Maßnahmen, um Frauen* am Arbeitsmarkt zu fördern und einen Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Die Wiedereinführung der 50% AMS Mittel für Frauenförderung ist längst überfällig.

8. Arbeit fair teilen: Was haben Sie vor, um die Ungleichheit der Verteilung von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit zu beseitigen? Die aktuelle Verteilung ist einer der Gründe für die mangelnde Absicherung von Frauen*.

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen Österreich ist zwar hoch, aber die oft in Teilzeit geleisteten Arbeitsstunden im Beruf sind weitaus niedriger als die der Männer. Dies liegt einmal an der mangelnden Quantität und Qualität von Bildungsangeboten und Kinderbetreuung und an Traditionen und Rollenklischees. Die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit hat weitreichende Konsequenzen für das Arbeitseinkommen – und kann zu Altersarmut führen. Um Halbe-Halbe auf allen Ebenen zu erreichen, benötigt es einmal Bewusstseins bildende Maßnahmen zum Aufbrechen von starren Rollenbildern, in allen Bildungsstufen und den Ausbau des Kinderbildungs- und betreuungsangebotes.

9. Wahlfreiheit ermöglichen: Wird es mit Ihnen einen flächendeckenden und mit einer Vollerwerbstätigkeit vereinbaren Ausbau von Kinderbetreuung geben? Damit alle Eltern, die es wollen, einen adäquaten Kindergarten- bzw. -krippenplatz finden?

Kinderbetreuung und Erziehungsarbeit ist weiterhin zum Großteil Frauen*arbeit. Echte Wahlfreiheit gibt es defacto in Tirol noch nicht. Einerseits wegen festgefahrenen Rollenbildern und andererseits wegen dem Mangel an ausreichenden Betreuungsplätzen. Die SPÖ Tirol setzt sich klar für den Ausbau kostenfreier, qualitativ hochwertiger, flächendeckender, ganztägig und ganzjährige Kinderbildungs und -betreuungseinrichtungen, die eine Vollzeitbeschäftigung ermöglichen und die Vereinbarkeit von Familie Pflege/Betreuung und Berufstätigkeit gewährleisten, ein. Tirol hinkt bei dem Ausbau der Kinderbetreuung hinterher und muss endlich in die Gänge kommen. Ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ist längst überfällig. Um die Gemeinden beim Ausbau zu unterstützen und auch eine finanzielle Last zu nehmen fordert die SPÖ Tirol die Anstellung des Elementarbildungspersonals über das Land Tirol.

10. Vielfalt leben: Was wollen Sie dagegen unternehmen, dass Frauen* und Männer* in Medien- und Kulturprodukten auf klischeehafte und sexistische Weise dargestellt werden?

Vor allem Werbung beeinflusst und zeichnet ein Bild der Gesellschaft, ein Bild welches oft den weiblichen Körper sexualisiert. Die Wiener Watchgroup gegen sexistische Werbung ist eine Möglichkeit Bewusstsein zu schaffen und ein Schritt zu Sexismus freier Werbung. Zusätzlich braucht es ein bundesgesetzliches Verbot. Es ist für die SPÖ nicht hinnehmbar, wenn Frauen aus wirtschaftlichen Interessen permanent in ihrer Würde verletzt, abgewertet und sexualisiert werden. Auch in Tirol könnte eine solche Watchgroup eingerichtet werden, bei der die Tiroler*innen Beschwerden gegen sexistische Werbung einreichen können.

  • Präzise, detaillierte und überzeugende Antworten auf klare Fragen – für Feminist*innen wählbar