Lesung mit Getraud Klemm aus dem Buch Aberland

Bürgerliche Mütter, bürgerliche Töchter: ein bitterböses Porträt zweier Frauen-Generationen

Montag, 14. Dezember 2015, 19:30 Uhr
aep-Frauenbibliothek, Schöpfstraße 19, Innsbruck

Elisabeth, 58, versucht würdevoll zu altern. Ihr gutbürgerliches Leben ist am ehesten charakterisiert durch das, was sie alles nicht getan hat: sie hat nicht studiert und nicht gearbeitet, sie hat ihre Kinder nicht vernachlässigt und ihren Mann nicht mit dem Künstler Jakob betrogen, sie hat der Schwiegermutter nicht die Stirn geboten und stellt noch immer nicht den Anspruch, ins Grundbuch der Jugendstilvilla eingetragen zu werden. Mit Zynismus und verhaltener Selbstreflexion beobachtet sie das Altern der Frauen um sie herum.
Und sie beobachtet ihre Kinder, vor allem Franziska, 35, die zu Wutausbrüchen neigt, mit den Anforderungen der Gesellschaft an ihre Mutterrolle hadert und die theoretische Gleichberechtigung von Mann und Frau im Alltag nicht einlösen kann. Auch sie hat ihre Visionen nicht verfolgt, weder beruflich noch privat, und begnügt sich mit einem fast fertigen Studium und einem fast geliebten Mann. Es scheint, als habe sich dieser zahnlose Feminismus von einer Generation an die nächste vererbt.

Gertraud Klemm

Foto: Dolores David

Gertraud Klemm: geb. 1971 in Wien, hat Biologie studiert, bis 2005 als hygienische Gutachterin gearbeitet und ist seitdem österreichische Schriftstellerin. Sie erhielt zahlreiche Stipendien und wurde mehrfach ausgezeichnet, u.A. mit dem Publikumspreis des 38. Ingeborg Bachmann Preis 2014. „Aberland“ war für den Deutschen Buchpreis 2015 nominiert (Longlist). Sie lebt mit ihrer Familie in Pfaffstätten, Niederösterreich. Aktueller Roman: „Aberland“ 2015 (Droschl.) Im Frühjahr 2016 erscheint der Roman „Muttergehäuse“ bei Kremayr & Scheriau. www.gertraudklemm.at

Moderation und Gespräch mit der Autorin: Marina Unterberger: Germanistin, Innsbruck

Merken