Lesung mit Marlen Schachinger: Kosovarische Korrekturen

Montag, 21. Oktober 2019, 19:30 – 22:30 Uhr
Öffentliche AEP-Frauenbibliothek, Schöpfstraße 19, Innsbruck

Marlen Schachinger im Werkdialog mit dem Publikum zu ihrer jüngsten Publikation »Kosovarische Korrekturen. Versuch über die Wahrheit« (Promedia Verlag):

Dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und rund zehn Jahre nach der Staatsgründung des Kosovo fragt sie vor Ort nach: Was verhakte sich in den Köpfen, wie viel Trennendes, wie viele Reminiszenzen an einen Krieg? Was blieb von der Euphorie einer Staatsgründung? Und sie befragt sich auch selbst: Was nimmt jemand wahr, der erstmals diesem Land begegnet?
Die Neugier bedingt, dass alles in sich aufgesogen wird. Unabdingbar nötig scheint alsbald eine innere Distanzierung, um im Bestreben, detailliert wahrzunehmen, nicht überschwemmt zu werden. Alle Ereignisse, mögen sie amüsant, erhellend oder deprimierend sein, alle Kontakte vor Ort, alle Gespräche und Begegnungen werden unweigerlich vor der Folie dessen gelesen, was jemand mitbringt: In diesem Fall ein Ich mit einer 48-jährigen Lebensgeschichte, aufgewachsen in einer anderen Region – und geprägt von einer mitteleuropäischen Kultur.
Damit stellt sich die Frage nach Wahrheit. Kann von einem Land jemals authentisch erzählt werden? Welche Spuren hinterlassen Ortswechsel in unserem Leben – raus aus dem komfortablen Bekannten, rein in eine gänzlich neue Umgebung, von der wir nichts wissen außer Erinnerungsfetzen aus vergangener Tagespresse?
Was bedeutet all das im Hinblick auf eine kosovarische Staatlichkeit, die für zahlreiche Staaten bis heute nicht existiert? Was bleibt davon nach einem Jahrzehnt der Kämpfe um die Zukunft? Und wie konnte es geschehen, dass die Klimax dieses Erbes aus Krieg, Euphorie, Korruption und Skandalen nun die Aussage ist, es gebe keine Hoffnung im Land, lieber verlasse man es, besser heute als morgen?

Zudem stellt die Autorin Basrie Sakiri-Murati »Bleibende Spuren. Mein Weg vom Kosovo in die Schweiz« (Rotpunktverlag) vor.
https://rotpunktverlag.ch/buecher/bleibende-spuren

Moderation: Monika Jarosch (Obfrau des AEP)

Marlen Schachinger wurde im Dezember 1970 frühzeitig und während eines Schneesturms geboren; wohlgemerkt: der österreichischen Variante desselbigen, und wie alles kommt auch so ein Schneesturm hierzulande ein bisschen gemütlicher, ein bisserl lahmer daher als anderswo. Und weil Marlen Schachinger ist, wer sie ist, beobachtet sie, was vor sich geht, und erzählt, liest, liebt, lebt auf ihre Art: nachsinnend, wissbegierig und obsessiv, durchaus auch ungeduldig – und da dies im Präsens formuliert ist, kann wohl der Grammatik folgend angenommen werden, dass sie bislang nicht über den Jordan gegangen ist, hat es auch noch nicht vor, denn an ein jenseitiges Land der Verheißung glaubt sie nicht: Das Bedeutsame kündigt sich kaum je feierlich sich offenbarend an. Vielmehr schleicht es sich im Nebenher in unser Leben, um schlicht da zu sein. Und sollte gesehen werden …!

Zuletzt erschienen von ihr die Romane »Requiem« (2018), »Martiniloben« (2016) (beide im Septime Verlag), »Unzeit« (2016) sowie »Albors Asche« (2015) (beide im Otto Müller Verlag). Im Bereich der schreibenden Auseinandersetzung mit Literatur publiziert sie monatlich auf ihrem Blog unter www.marlen-schachinger.com oder in Einzelpublikationen wie z.B. »Autorinnen feiern Autorinnen. Marlen Schachinger über Betty Paoli« (2015, Mandelbaum Verlag) oder »Werdegang« (2014, Peter Lang Verlag). Zahlreiche Literaturpreise und -stipendien, zuletzt Welser Stadtschreiberin, Writer in Residence im Kosovo, Jubiläumsstipendium der LiterarMechana, NÖ Landeskulturpreis – Anerkennungspreis. Und weil dies alles noch nicht genug, lehrt sie regelmäßig an der »Universität Wien« und am »Institut für Narrative Kunst Niederösterreich« als Dozentin für »Literarisches Schreiben« – betreut sie nicht auf dem ArtHof in Kleinbaumgarten aus gesellschaftspolitischen Gründen Gemüsegarten oder Nutztierschar …